Wie Toxisch sind TikTok und Co?

Soziale Medien und demokratische Meinungsbildung

Die Europawahl steht kurz bevor und insbesondere rechtspopulistische bzw. rechtsextreme Parteien sind auf Stimmenfang in den sozialen Medien. Plattformen wie TikTok, auf der sich überwiegend junge Menschen aufhalten, werden von rechtsextremen Kräften genutzt, um die jungen Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen. Wie das funktioniert und wie es gelingen kann, dass diejenigen, die bei der Europawahl zum ersten Mal an die Wahlurne treten, nicht der einseitigen Propaganda durch Desinformation und Deepfakes ausgeliefert sind, war Thema einer Veranstaltung von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN in der vergangenen Woche. Eingeladen hatten die GRÜNEN dazu die renommierte Publizistin Katharina Nocun. In ihrem Einführungsvortrag stellte Katharina Nocun die unterschiedlichen Formen der Desinformation im Netz dar. Insbesondere Verschwörungserzählungen würden eine große Rolle spielen, erklärte Frau Nocun: „Schon im Mittelalter kursierten Verschwörungserzählungen und zu Zeiten des Kalten Krieges spielte Desinformation eine Rolle. Das alles gab es also schon vor dem Internet. Aber die Algorithmen der Social-Media-Unternehmen machen den Unterschied: Sie bestimmen darüber, welche Inhalte bevorzugt angezeigt, welche Videos empfohlen werden und so weiter. Den Nutzerinnen werden nur noch Informationen angeboten werden, die dem eigenen Weltbild entsprechen. Eine Auseinandersetzung mit Informationen findet nicht statt.“ Nicht wenige Menschen, die Verschwörungserzählungen und Falschinformationen verbreiten, würden selbst daran glauben, erklärt die Publizistin. Es gebe aber auch staatliche Akteure, beispielsweise von russischer Seite, oder auch rechtspopulistischen bzw. rechtsextremen Parteien in Deutschland und in Europa, die Desinformation und Deepfakes nutzen würden, um einen politischen Gegner zu beschädigen, einen Wahlkampf zu beeinflussen oder generell das Vertrauen in die Institutionen und die Demokratie eines Landes zu schädigen.


Im Anschluss an den Vortrag diskutierten Katharina Nocun und die GRÜNE Europakandidatin Thea-Helene Gieroska über mögliche Strategien im Umgang mit Desinformation im Netz. Beide betonten die
Verantwortung der Plattformbetreiber, aber auch der Nutzerinnen und Nutzer, im Kampf gegen Desinformation aktiv zu werden. Thea-Helene Gieroska verwies auf die Fortschritte, die auf EU-Ebene hinsichtlich der Plattformregulierung mittlerweile erreicht wurden: „Mit dem Gesetz über digitale Dienste „Digital Services Act“ und dem Gesetz über den digitalen Markt „Digital Markets Act“ hat das Europäische Parlament ein einheitliches Regelwerk geschaffen, das in der gesamten EU gilt. Der Bundestag hat mit dem „Digitale-Dienste-Gesetz“ im März diesen Jahres die nationale Umsetzung ausbuchstabiert. Das ist ein wichtiger Schritt!“

Die beiden jungen Frauen waren sich aber auch einig, dass die Förderung von Medienkompetenz, die Stärkung unabhängiger Faktenprüfer und des unabhängigen Journalismus im Kampf gegen Desinformation und für die Stärkung der Demokratie im digitalen Zeitalter unerlässlich sind.
„Früher bestand die Herausforderung darin, Quellen zu beschaffen, um Wissen zu erhalten. Im digitalen Zeitalter liegt ein weit höherer Anspruch auf dem Filtern, Auswählen und Bewerten der meist umfangreich vorhandenen Informationen, vor allem weil ein beachtlicher Anteil von Informationen in den Sozialen Medien Falsch- oder gezielte Desinformationen enthält. Hier müssen wir die Kompetenz der Nutzerinnen
und Nutzer stärken!“ sagt Frau Nocun und Frau Gieroska ergänzt: „In den Schulen muss wesentlich mehr passieren! Viele Elternhäuser sehen sich dazu nicht in der Lage. Aber wenn wir von den Schulen immer mehr fordern, dann müssen wir sie auch entsprechend ausstatten und zwar mit Personal und auch mit Zeit. Nur wenn die Schülerinnen und Schüler mehr Zeit in der Schule verbringen, können zusätzliche
Kompetenzen vermittelt werden!“, betont Thea-Helene Gieroska mit Blick auf eine verpflichtende Ganztagsschule. Die Veranstaltung hat deutlich gemacht, welche Auswirkungen die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und Desinformation auf unser demokratisches System haben kann und welche Bedrohung davon ausgeht, wenn antidemokratische Kräfte das Netz für ihre Ziele kapern. Daher dürfen wir diesen Kräften die Sozialen Medien nicht überlassen, so die einhellige Meinung. „Geben künftig rechtsextreme Kräfte im europäischen Parlament den Ton an oder Demokratinnen und Demokraten?
Darum geht es am 9. Juni!“, betont Nico Söhnel, Sprecher des Kreisverbands.

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